Vermischtes über das Internet — Stand 2019/2020 — das sind die Informationen, die »Alice im Neuland« auf knapp 150 Seiten (ohne Bilder und Prosageschichte etwa die Hälfte) enthält. Die Themen gleiten entlang technischer und sozialer Aspekte und sind sehr objektiv, ohne persönlichen Bezug oder Bewertung gelistet. Stellenweise ist der Inhalt mal detailliert, mal oberflächlich ausgearbeitet, gelegentlich werden technische Begriffe gelistet und begleitende Zahlen, Statistiken oder Beispiele zitiert. Der Autor, Paul Andersson, lässt dabei keinen Aspekt unerwähnt, den das Internet irgendwie mit der heutigen Lebensart in Verbindung bringt: Die Anfänge des Internets, Cyberspace, Internet-Programmier- und Formulierungssprachen, E‑Shopping, Social Media, Hard- und Software, Browser und E‑Mail, Server-Infrastrukturen, Protokolle und die großen Player und die Zusammenhänge zu Wirtschaft und Politik werden erwähnt. Und dabei tief genug erklärt, dass ein passendes Bild im Kopf entsteht.
Jedes Thema befindet sich auf einer bunten, eng bedruckten, aufwendig gestalteten Doppelseite und liest sich wie eine kurze Zusammenfassung des betreffenden Wikipedia-Artikels. Das ist genau die Informationsmenge einer Mini-Enzyklopädie, um gleichzeitig interessant und nicht zu viel zu sein. Alles steuert auf eine Handvoll Ratschläge des Autors zum Ende des Buchs zu, wie das Internet und Themen um das Internet zu bedienen sind. Diese persönlichen Präferenzen sind größtenteils lesens- und auch befolgenswert.
Besonderes Einstellungsmerkmal von Alice im Neuland sind die Prosatexte, die zwischen den Fachthemen erscheinen und alle Themen in eine verrückte bunte Welt projizieren. Fachliche Bezüge werden dabei in Lebewesen oder andere Geschichtselemente umgewandelt. Insgesamt entsteht eine parallele Geschichte, dem Alice-im-Wunderland-Original nicht unähnlich. Mit zugekniffenen Augen erkennt man die Zusammenhänge und Parallelen zum Enzyklopädieteil. Dazu versah die Verlagsillustratorin (Annamaria Papp-Ionescu) jedes Geschichtsfragment mit großen, ebenso verrückten Zeichnungen. Text und Bild zusammen lassen die Fantasiekontextsegmente luftiger erscheinen, wie um dem Leser etwas Raum zu geben vor dem nächsten fachlichen Abschnitt, in dem es wieder ums Eingemachte geht.
Wer eine Internet-Enzyklopädie, ungefährer Stand Anfang dritte Dekade der 2000er sucht, erhält mit Alice im Neuland ein originelles Buch, das sich prima zu Schenken eignet. [Affiliate-Link zu Alice im Neuland]
[8pb]
Alice im Neuland Paul Andersson, massel Verlag, ISBN 3948576009 | ![]() | 7.8/10 |

Klappentext: »Alice im Neuland erzählt die Geschichte des Internets irgendwo zwischen Bilderbuch und Märchen, Sachbuch und Erziehungsratgeber«. Genau da liegt der Hase im Pfeffer. »irgendwo dazwischen« — das Buch hat Schwierigkeiten sich einordnen. Als Altersfreigabe ist 8–99 angegeben, also jeden, der lesen kann. Und ebenso vage sieht für mich die Zielgruppe aus.
Das Buch ist vor allen Dingen eine Enzyklopädie, die sich zum gelegentlichen Herumblättern eignet. Dabei sind einige Passagen so einfach erklärt, dass Kinder sie verstehen. Für andere Abschnitte (und leider auch Fachwortbombardements) sind zusätzliches Wissen und Zusammenhänge notwendig. Aber egal als welche Zielgruppe man Alice im Neuland aufschlägt, irgendwann beginnt jeder, Teile zu überspringen, und ab dann macht das Schmökern weniger Spaß — das Los jeder Enzyklopädie.
Das Wissen des Autors ist vorhanden. Die handwerkliche Arbeit ist fühl- und lesbar.
Ich habe allerdings Zweifel an der Idee, mit der Alice im Neuland gegen die Enzyklopädie-Langeweile vorzugehen versucht. Dazu dienen nämlich die kurzen Alice-Geschichtseinwürfe. Allerdings bilden die Texte weder Themenbrücken noch Kontext, sie erklären auch nichts und sind verwirrend zu lesen. Die Alice-Begleitskizzen lockern die fachlichen Themen zwar etwas auf, wirken aber unfertig.
Das versprochene Szenario, dass ich mich mit Kind und/oder Frau und/oder Opa mit dem Buch gemeinsam an den Tisch setze, um es belustigt/angregt gemeinsam zu lesen, funktioniert bei mir und uns leider nicht. Mit meiner Frau hatte ich mich über die Details gestritten, für den Kleinen ist das Buch zu nüchtern und zu textlastig und für Opa ist die Schrift zu klein. Eine andere Familie, vielleicht mit älteren Kindern, hat hier sicher mehr Glück.
Ich empfehle jedem den bei diversern Händlern möglichen Blick ins Buch, um herauszufinden, ob man eine mögliche Zielgruppe für die Sprache und das Konzept ist. Auch als Geschenk könnte sich das Buch eignen, oder um einige Abende auf der Couch etwas darin zu schmökern. Für mich landet das Werk im gut recherchierten Mittelfeld als Blick in die Internet-Jahre 2019/2020.