Wer einem kleinen Kind mal einen Keks oder ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte gibt, weiß Bescheid: Die Schreihälse lassen sich easy-peasy mit Süßigkeiten überreden, erpressen und bestechen, ohne zu bitten oder zu schimpfen. Karies statt Kindheitstrauma? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich lerne jetzt, Plätzchen zu backen – für ein friedliches Familienleben.
Ich bin gerne autark. Darum besitzen wir auch eine Nähmaschine (ein Leben mit Hosenlänge 33,5 ist eine Qual), einen Lötkolben (der Verstärker reparierte sich dann seltsamerweise von selbst) und eine Minifräse (prima zum Kürbisschnitzen), und haben insbesondere die Zubereitung von Steaks, Gulasch, Pfannenfisch und Burgern perfektioniert, da das kein Restaurant in unserer Umgebung hinbekommt. Was liegt da näher, als auch Plätzchen für die Weihnachtszeit zu backen? Alles, denn im Discounter um die Ecke gibt’s hervorragende Kekse im 100er-Pack für Eins Fuftsch. Schon die Zutaten zum Selbstbacken kosten ein Mehrfaches. Aber ein Kind haben und Plätzchen backen, das gehört irgendwie zusammen wie einen Hund Gassi führen und seine Häufchen aufsammeln.
Spitzbuben sollten es sein, unten ein Keks, dann eine Schicht Marmelade, und oben ein Keks mit Loch, damit man sieht, welche Sorte Marmelade dazwischen ist. Hintergrund: »Spitzbube« ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für einen Kleinkriminellen und aus dem Begriff Spitzel abgeleitet, einer Verkleinerungsform für die Hunderasse Spitz, die als besonders wachsam gilt. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, warum man ein Plätzchen so nennt. Meinetwegen könnten Sie auch Schmierfink, Düffeldöffel oder Rotzlöffel heißen, dann kämen wir aber mit unseren Rufnamen in Konflikt.
- In eine große Schüssel kippte/goss/schlug ich:
- 300g Mehl
- 150g Puderzucker
- 100g Mandeln (gemahlen, zur Not im Mixer, sonst bleibt immer etwas zwischen den Zähnen hängen)
- Salz (man soll ja überall etwas Salz hinzugeben)
- 200g Butter (ja, wirklich, 200g Butter! Fast ein ganzer Block! Darum empfiehlt die WHO maximal einen Keks täglich pro Person/Kind.)
- ein oder zwei Eier (vom Huhn, Wachteleier sind zu klein, Straußeneier zu groß)
- Dieses pulvrige Gemisch nun in einen Teig verwandeln. Das geht prima, wenn man irgendwo in der Küche einen Handrührmixer findet, den die Ehefrau von ihrer Großmutter geerbt hat und auf dem noch Teigreste von 1947 kleben.
Die Butter muss für diesen Schritt warm und weich sein, sonst hüpft das Gerät wie eine alte Waschmaschine im Schleudergang. Meine Butter war natürlich zu kalt, darum musste ein anderes Werkzeug her. Kein Problem: Rührstäbe haben kleine Ausbuchtungen, mit denen sie prima ins Bohrfutter passen.
Mein Bohrer war leider etwas größer und ließ sich nicht mit einer Hand bedienen, um mit der anderen die Schüssel zu halten. Abhilfe schuf der Fernseher, dessen vertikal orientierte Mattscheibe sich eignete, die Schüssel im richtigen Winkel daran festzuschraubzwingen. Hier war von Vorteil, dass ich den Fernseher zuvor zur Kindersicherung an der Wand festgeschraubt hatte — Sicherheit geht vor.
- Der fertige Teig lässt sich nun mit der Hand in eine Kugel oder einen sechsseitigen Würfel formen, um ihn, in Folie eingewickelt, ein bis zwei Stunden im Kühlschrank (österr. Eiskasten) ziehen zu lassen. (Oder ruhen oder gehen oder gären, keine Ahnung, es ist ja keine Hefe oder Marinade dabei.)
- Jetzt beginnt der Stress: Teig ausrollen (3mm dick) und Kekse ausstechen und backen. Das ist eine Sauarbeit, die entweder viel Platz oder ein phasenweises Vorgehen erfordert. Also entweder alle Lagen ausstechen und dann final backen. Oder auf vier Runden aufteilen: Ausstechen, auf Backpapier positionieren, Backpapier auf Backblech rutschen, backen, währenddessen weiter ausstechen, aber nicht länger als sechs Minuten, rinse and repeat.
Die Herausforderung ist das Ausrollen des Teigs. Da gibt’s mittlerweile magische Silikonnudelhölzer, die ich nicht besitze. Dafür aber Weinflaschen. Ich kann bestätigen, dass sich insbesondere die Flaschen von Grauburgunder, Chardonnay, Weißburgunder und Grünem Veltliner zum Teigausrollen eignen. Nicht so gut: Bocksbeutel, aber wer trinkt schon fränkischen Wein. Am besten gefiel mir der Teig mit einer Flasche Chenin Blanc.
- Noch ein paar Tipps:
- Mehlen, mehlen, mehlen. Ausrollarbeitsfläche sauber halten, keine Teigreste vom letzten Mal drauf lassen, nochmal mehlen.
- Und nochmal mehlen.
- Backblech umdrehen = einfacheres Rauf- und Runterschieben der mit Keksen belegten Backpapiere.
- Lieber zu kurz als zu lang backen (mindestens fünf Minuten, maximal zehn. Die genaue Zeit ist auch abhängig von der Teigdicke, der Einschubposition, der Luftfeuchtigkeit und den aktuell eintreffenden Sonnenwinden.) Ist ein Keks erstmal braun, ist er überreif und fast unbrauchbar. Das schließt natürlich meinen »Special Blend« aus, Galopin à la 8BitPapa – L’edition Anthracite®. Diese Sorte ist besonders knusprig.
Eines der eineinhalb Rezepte, die ich zuvor studierte, empfahl, dass die Kekse noch warm sein sollten zum Mit-Marmelade-bestreichen. Vielleicht wirkt die Marmelade dann wie ein Zweikomponentenkleber? Ich hatte wegen der Sauerei mit dem Mehl keine Lust mehr auf schlaue Tipps, die wahrscheinlich sowieso nicht stimmten und ließ mir bei allem Zeit. Hatte ja noch eine halbe Stunde, bevor die Kita schloss.
Und musste es wirklich Marmelade sein? Zugegeben, Nutella/Nudossi passte nicht so gut zum Keks. Auch Leberwurst oder Foie Gras, Vegemite, Obatzda und Thunfischcreme harmonierten nicht mit der im Keks eingearbeiteten Süße. Irgendeine Fruchtmarmelade funktionierte tatsächlich am besten. Trotzdem: Auf einem Extrastapel sammelte ich für Leute, die ich nicht mag, eine Special Edition mit abgelaufener Olivenpaste und reduzierter Tüten-Schweinebratensoße.
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Als Papa braucht man ein völlig neues Set essentieller Skills: Windeln wechseln (DEX), in den Schlaf trösten (CHA), 15 kg Lebendgewicht Treppen rauf und runter tragen (STR) und Schimpfen ohne zu Brüllen oder die Nerven zu verlieren (WIS). Backen (DEX+WIS+INT) gehört nicht dazu. Dachte ich. Aber wer hätte gedacht, dass ein einzelnes Plätzchen in der Lage ist, Wutanfälle zu steuern, Spielzeugaufräumarbeiten zu starten oder eine 5‑Minuten-Erziehungspause ins Raumzeitkontinuum zu injizieren.
Muss man diese Plätzchen deshalb kaufen? Wäre es nicht viel schöner, dass es, wie bei Großmuttern, im ganzen Haus nach frischen Backwaren duftet? Das Düffeldöffelbacken ist nun schon drei Tage her, und hier müffelt’s immer noch wie einer Konditorei. – Meine Hoffnung ist nun, dass der Feinplätzchenstaub wie Ritalin an Kindergehirnneuronen festklebt. Dann müssen wir unseren Kleinen nachts nicht mit Plätzchen vollstopfen, damit er endlich durchschläft.
Gut Back!
Euer 8BitPapa