Zuerst das Motiv auswählen:
Die Wahl fällt bei mir auf die Abenteuer des Comicduos Calvin & Hobbes: ein sechsjährige Rabauke und sein Stofftiger-Sidekick, der lebendig wird, sprechen kann und Thunfisch-Sandwiches verputzt, wenn die beiden unter sich sind. Als 8Bit-Teenager verschlang ich die Comics und muss auch heute beim Herumblättern schmunzeln. Der zynische und philosophische Humor ist auf meiner Wellenlänge und erhielt während meines Erwachsenwerdens das Kind in mir am Leben. Denn Calvin hat seine eigene pragmatische und dennoch fantasievolle Sicht auf die Welt. Er erlebt sie zwischen Take-it-easy-Mentalität und erfrischender Abenteuerlust – eine Stimmung, die ich meinem Sohn gerne mit auf den Weg gebe. (Hier ist der Link zum ersten Sammelband, mit einem ähnlichen Buch hatte ich Calvin und Hobbes vor vielleicht 25 Jahren kennengelernt. Ich kann alle uneingeschränkt empfehlen.)
Nun zur Umsetzung des Kinderzimmerwandbild (, das – Update November 2018 – nun schon über ein Jahr ohne Schäden überstanden hat (Update Mai 2020: sieht immer noch aus, wie am ersten Tag)). Ist eigentlich ganz einfach:
- Konturen an die Wand beamen und nachzeichnen.
- Farbflächen füllen. (Das dauert am längsten, gemütlich Zeit nehmen.)
- Konturen mit dicker schwarzer Farbe nachfahren.
Ein paar Do-it-yourself-Notizen aus der Praxis:
- Equipment: überraschend günstig, knapp 30 Euro für alles:
- Acrylfarben (ich verwendete dieses
Marabu Farbenset— Update Juli 2020, altes Set nicht mehr verfügbar, super Alternative eines anderen Herstellers). Wichtig: viel Extra-Weiß zum Mischen für hellere Farben und Übergänge, wie das Wasser und Highlights. - Pinselset (dieses kleine Set genügt, mit der Zeit lernt man, welchen Pinsel man wo braucht)
- kleine Palette falls noch nicht im Pinselset enthalten (wirklich nur ein billiges Plastikteil)
- und ein Beamer (die sind eigentlich teuer, also irgendwo ausleihen – Danke an meinen Schwager, er benutzt z. B. dieses Modell von Apeman, etwa 200 €, für Präsentationen, die Lichtstärke war für für die Wandbildprojektion prima).
- Und, ganz wichtig, ein Kohle- (nicht so empfehlenswert) oder Grafitstift (empfohlen!) für die Konturen.
- Acrylfarben (ich verwendete dieses
- Vorlage im Internet finden. Über Googles Bildersuche lässt sich wirklich jedes Motiv finden. Ich entschied mich für eine Bachüberquerung der beiden Helden. Im Wald spielen – das soll unser Kleiner bitte so auch erleben.
- Vorlage bearbeiten. Ein Sonderfall unseres sehr kleinen Kinderzimmers: Die Entfernung zwischen Beamer und Wand genügte nicht, um die gesamte Wand mit dem Motiv zu füllen, da das Beamer-Bild, 16:9‑Format, immer breiter als hoch ist. Die Lösung: Das Bild in zwei Bilder teilen:
Ich schnitt das Bild (mithilfe des kostenlosen Gimp oder dem kleinen Adobe-Photoshop-Bruder) in zwei Teile und drehte die Hälften um 90° hochkant. Ich malte also die zwei Hälften nebeneinander an die Wand. (Darum ist der Beamer auch so schwindlig mit Kabelbindern auf einem Kamerastativ befestigt — das Bild ist ja nun hochkant.)
- Vorlage an die Wand werfen und Konturen nachzeichnen. Das hat zwischen einer und zwei Stunden gedauert. Mein Fehler war, dass ich die Kohle zuerst zu stark auftrug und wieder vorsichtig wegpinseln und ‑pusten musste. Sonst hätte sie die später aufgetragene Farbe verunreinigt. Ich würde daher in Zukunft mit einem weniger staubigen Grafitstift arbeiten.
(In den Bildern sieht man, wie die zwei hochkant orientierten 9:16-Hälften das Gesamtbild erzeugen.)
- Ein Ende
- Die zweite Welle mit Kind und Kegel, Krebs und Corona
- Ricks Jakobsweg Berlin ↦ Leipzig (3/3)
- Flächen füllen. Das ist der langwierigste Job, eine Art Malen-Nach-Zahlen mit einer ausgedruckten Vorlage, der sich über vier Wochen in ein paar Wochenend- und Abendsessions hinzog. Machte sehr viel Spaß, denn man sieht sofort Erfolge.
Ich entschied mich pro Session für einen Farbton und begann mit dem dunkelsten am stärksten gesättigten Farbton (z. B. Dunkelblau für schattigen Stellen im Bach – Cyanblau im Akrylset) und hellte die Farbe schrittweise mit Weiß auf (bis z. B. Hellblau für stark reflektierendes Wasser). Zum Flächenfüllen verwendete ich einen möglichst breiten Pinsel und malte in die vorgezeichneten Konturen hinein. Darum war es praktisch, verschiedene Pinsel zur Auswahl zu haben.
Wichtig: Ich ließ die schmalen schwarzen Konturen unbemalt, damit ich die exakten Kohle-/Grafitkonturen später wiederfinden konnte, denn die Acrylfarbe deckt sehr stark.
- Konturen malen. Mit (Titanium)schwarz. Das war der schwierigste Schritt, der Mut erforderte. Denn das Original ist ein Aquarell. Die Konturen sind nicht perfekt, beginnen hier mal dick, laufen dort in einem dünnen Strich aus und da drüben sammelt sich sogar etwas Farbe in einer Ecke. Das Ganze sollte organisch wirken, Fehler waren ok, aber die Strichführung musste sicher sein mit sauberen Kanten. Zitterlinien (zu langsam gemalt) sahen irgendwie seltsam aus.
Am liebsten benutzte ich einen mittelbreiten flachen Pinsel, nahm sehr viel Farbe auf, begann mit der breiten Seite und drehte den Pinsel während des Malens um 90° zu seiner schmalen Seite. Zitterkonturen wurden übermalt und mit viel Farbe zu scharfen Kanten korrigiert. Anfangs waren meine Konturen zu dünn, aber so näherte ich mich schrittweise der idealen Strichstärke: einen Schritt zurücktreten und das gesamte Bild wahrnehmen.
Tolle Sache und jederzeit wieder!
Insgesamt fühlte ich mich an Bob Ross mit seinen »happy little accidents« erinnert, denn ich erfuhr, dass es gerade die Imperfektion einer nicht ganz ausgefüllten Fläche oder nicht vollständig umrundeter Kontur ist, die den Reiz ausmacht. Ich verließ mich vor allem auf die Wirkung der Konturen, denn die definieren die Feinheiten, die Gesten, die Gesichter und den charakteristischen Strich des Bilds.
Nun frage ich mich, ob und wann unser Kleiner das Wandbild überhaupt bewusst wahrnehmen wird? Es ist von Beginn an fixer Bestandteil seiner Welt, sobald er sehen kann, völlig normal, ein omnipräsenter Hintergrund.
Wird er Tigeralbträume haben?
Und wie lange hält eigentlich die Farbe?
Und wann er wohl das Easteregg findet?
Update November 2018: Eineinhalb Jahre später leuchtet das Wandbild noch in genau denselben kräftigen Farben, wie im Sommer 2017 – ein voller Erfolg also. Und, ach, ist das nicht niedlich: Inzwischen versucht der kleine Ausräumator, die gemalten Steine wegzunehmen. Reminder an den Papa-Blogger: Für eine solch hervorragende Arbeite sollte ein entsprechendes Sternchen im Vaterpass beantragen.
Update Mai 2020: Ich bin immer noch baff, das Bild sieht aus, wie am ersten Tag. Die Farben leuchten kontrastreich, vielleicht hatte ich ein glückliches Händchen bei der Produktwahl. Inzwischen kann der Kleine übrigens schon die Namen der beiden Comic-Helden aussprechen und wir benutzen eines der Comic-Bücher als Gute-Nacht-Geschichten. Und von diesem Erfolg ermutigt, starteten wir das nächste DIY-Projekt: Ein Haus fürs Kind 🙂
Euer 8BitPapa
P. S. Natürlich lässt sich auch mit einem kommerziell erhältlichen Wandklebebild mogeln. Müsste aber seeehr hoch angebracht werden, der Kleine würde es sonst gnadenlos herunterrupfen :). Für mich war aber auf alle Fälle der Weg das Ziel, das Selbermachen. Hat Spaß gemacht.