Pünktlich zum Start des Mutterschutzes wird das Babybauchhaben und das ganze Drumherum prompt zur Mühsal. Besonders die Hitzewallungen machen das alles außerordentlich unangenehm (ein Glück, dass der Sommer gerade Pause macht). Die Liste wächst mit jeder Minute:
- Treppen lassen sich nicht mehr in Zwei‑, sondern nur in Ein-Etagen-Etappen bezwingen.
- Mehr als 200 g Nahrung mit einem Mahl führen zu Völlegefühl. Aber zwei Stunden nichts essen, und der Kreislauf fährt in den Keller.
- Die Schwangerschaftsdemenz verursacht Satzabbrüche nach dem Prädikat. Selbst Tetris-Battles gewinne ich im Handumdrehen.
- Die Schwangerschaftstollpatschigkeit schränkt die Feinmotorik stark ein — wir gehen dazu über, sie nichts Zerbrechliches mehr tragen anfassen zu lassen.
- Und schließlich der Nachwuchs — wenn er sich bewegt, dehnt’s und zieht’s und drückt’s überall. Tut er es aber nicht, schießt die Panik ein, er könne sich die Nabelschnur drei Mal um den Hals gewickelt haben (dafür gibt’s ’ne App: Count the Kicks – eine ganz neue Dimension von Sorgen).
Und natürlich wächst er unaufhaltsam, was eine weitere Hürden aufdeckt: Gestern musste ich ihr z. B. das erste Mal die Socken anziehen. Natürlich haben uns dabei kaputt gelacht. Genau wie beim Aufstehen vom Bett oder der Couch, denn da ist wegen des verlagerten Schwerpunkt eine Art Zeitlupen-Judo-Rolle angesagt.
Da kommt manchmal doch der Wunsch, es wäre nächste Woche einfach vorbei. Und damit zieht sich dieser letzte Monat subjektiv ziemlich in die Länge. Das letzte halbe Jahr wirkt schon so kurz wie ein Wimpernschlag. Die Schwangerschaftsübelkeit. Das Coming-out. Die Ultraschalls. »All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen.« – Höchste Eisenbahn also, die Ankunft und die Zeit danach final vorzubereiten. Nicht mit verspielten Wandbildern und ach so tollen Ratgebern, sondern mit Handaufanlegen. »Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehn!«
Die Baustellen im Einzelnen.
Das Kinderzimmer
Hier haben wir noch etwas Zeit, da wir den Ansatz mit dem Baby-Beistellbett ans Elternbett verfolgen. Soll wohl die Kindheitstodwahrscheinlichkeit reduzieren, wenn das Neugeborene erstmal im Elternzimmer schläft (Babybett im Elternzimmer: Kindstodgefahr sinkt. In: N‑TV. dpa, 26. September 2008). Aber das Kinderzimmer hat noch einen weiteren Zweck, den wir von einem befreundeten Pärchen kopieren. Situation: Der Kleine wacht auf, noch lange bevor der Hahn ans Krähen denkt. Dann nimmt man das Menschenbündel und packt es zusammen mit einem haptisch ansprechenden und pädagogisch wertvollen Spielzeug ins Kinderzimmer. Dort sind freilich alle Steckdosen verputzt, Schränke verschlossen und an die Wand gedübelt und Ecken und Kanten abgefeilt. Denn nun darf sich der Nachwuchs noch eine Stunde selbst beschäftigen, während die Eltern sich noch mal hinlegen und ins Morgengrauen hineindösen. Der Traum vieler, aber warum nicht versuchen? (»There is no try.«)
Ein ordentlicher Teppich muss also her, damit es der kleine Knopf beim Krabbeln auch gemütlich hat. Imprägnierte Meterware von nächstbesten Möbelhaus does the trick. Nicht zu weich und nicht zu hart, ein bisschen kuschlig und möglichst ohne statische Aufladungselektrizität und Asbest. Natürlich in einer neutralen Farbe, damit er keinen Augenkrebs bekommt. Liefertermin: Mitte September. »Eeexcellent.«
Den Rest des Mobiliars gehen wir gemütlich an. Zwei ausrangierten Regalen wurde mit Acrylweiß neues Leben eingehaucht. Die kann er später gerne mit Buntstiften bemalen, mit der Malerrolle ist das ruckzuck wieder weg. (Später macht er das dann selbst.) Kinderbett? Ja. Nein. Darauf haben wir noch keine tiefen Gedanken verwendet. Mal sehen, wie lange sich das Beistellbett hält, denn an der vierten Seite lässt sich ein Holzgitter einhängen.
Die Wohnung
Seit ich mich in die »Bildungsräume für Kinder von 0 und 3« eingelesen habe, gibt es ein neues Credo für die Wohnung. Nicht nur kindersicher upgraden, sondern auch kindgerecht einrichten. Die ursprüngliche Idee war die Aufteilung der gesamten Wohnung in verschiedene Sicherheitszonen — gemäß der »Defense Condition«, die wir aus dem 80er-Jahre-Kultfilm »War Games« kennen.
- DEFCON 5 – »Friedenszeit«: Der Lütte ist im Kinderzimmer-only.
- DEFCON 4 – »Friedenszeit, erhöhte Aufklärung/Sicherheitsmaßnahmen«: Der Kleine darf sich im Kinderzimmer oder Eltern-Schlafzimmer aufhalten.
- DEFCON 3 – »Erhöhte Einsatzbereitschaft«: Erweiterung des Auslaufbereichs in den Flur und Eingangsbereich der Küche, damit der wachhabende Elternteil kochen kann
- DEFCON 2 – »Mobilisierung der Reserve«: Erweiterung zum Esszimmer — erhöhte Gefahr durch Massivholztischbeine und Regale mit so vielen Büchern, dass er unter ihrer Masse begraben würde
- DEFCON 1 – »Maximale Einsatzbereitschaft«: Komplette Wohnung inklusive Wohn-/Unterhaltungsecke mit Elektronika im Sideboard. Mit etwas Fingerfertigkeit lassen sich Kabel aus Schlitzen und Ecken hervorpulen und so stark daran ziehen, dass nicht nur das Hifi-Arrangement, sondern auch Leib und Leben gefährdet sind (220-Volt-Schlag, Fernseher fällt auf den Kopf, HDMI-Kabel drei Mal um den Hals wickeln).
Diese Markierung unterschiedlich sicherer Wohnungsbereiche genügt mir nun nicht mehr. Ich möchte die gesamte Wohnung als Motorikübungsplatz genutzt wissen, damit das Kind mit möglichst vielen Herausforderungen konfrontiert wird. Die alte coole Sichelmondcouch segnet demnächst das Zeitliche und wird durch ein traditionelles L‑förmiges Modell ersetzt. Da passen dann auch drei Leute gemütlich drauf und die Polsterung ist steif genug, dass ein Dreikäsehoch darauf stehen und turnen kann. Meinetwegen auch hüpfen. Weiterhin werden Kabel gebündelt, Regale angeschraubt und halbe meterlange Schwimmnudeln dort montiert, wo eine Kante zu eckig, ein Holz zu hart oder eine Tür zu offen ist. Außerdem soll es zusätzliche Kletter- und Turnmöglichkeiten geben, damit der Kleine seine spannende Umgebung vollautonom erforschen kann. D. h. Ecken leerräumen, unnötiges Mobiliar entsorgen, um Platz für größeres Motorikspielzeug zu schaffen. Dass die Wohnung dann aussieht wie die Kinderecke bei McDonalds oder IKEA ist mir gerade egal. Nestbautrieb? Schuldig!
Bleibt abzuwarten, was meine bessere Hälfte dazu meint, wenn sie diesen Text liest. Nein, ich habe auch noch keinen Schimmer, was wir mit den Pflanzen machen.
Die Erstausstattung
Na klar, die Suchergebnisse für »baby erstausstattung« könnten umfangreicher nicht sein. Besonders dank der Treffer von Drogerien, Babyshops und Pflegemittelherstellern. Diese Listen haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Für Eltern, die ihr erstes Kind erwarten sind sie gleichzeitig Beruhigung (hier ein Kreuzchen, da ein Häkchen, dort eine Zeile durchstreichen, ich liebe Checklisten) und Quelle fortgeschrittenen kopfschüttelnden Unverständnisses (»Brauchen wir wirklich einen Trinkfläschchendesinfizierer?«).
Wir lösten das Thema im ersten Schritt (zufriedenstellend) an einem Samstagvormittag mit Pragmatismus im Bett sitzend. Laptop auf dem Schoß, Browserfenster links, Excel-Liste rechts. Dann die längste Erstaustattungsliste durchgegangen (die mit den hundert Positionen) und alles übernommen, was nicht (1) überflüssig war oder (2) schon durch Schwangerschafts-Schmarotz gebunkert wurde. Auf unserer To-acquire-Liste stehen somit einige Babyklamotten in bestimmten Größen und ein paar Nice-to-haves wie Babybadewanne (vielleicht genügt auch ein Wäschekorb, damit das Spielzeug nicht davonschwimmt) und Heizstrahler überm Wickeltisch. Schritt 2: Welcher Verwandte/Bekannte sucht noch ein Geschenk? Schritt 3: Verstaubt vielleicht bei einem nebenan.de-Babynachbarn das eine oder andere Zubehör? Schritt 4: Dann bestellen wir’s halt online in Gottes Namen.
Ein bisschen gibt’s also noch zu tun, aber es sind nicht wirklich Show Stopper für die Geburt dabei. (Das Bild des schrankandübelnden Heimwerkergatten bekomme ich nun nicht mehr aus dem Kopf »Nur noch dieser Schrank. Dann kannste gebären.«) Mit der kürzlich von Nachbarn erworbenen Wickelauflage für die Waschmaschine, dem Beistellbettchen und der Klamottenbasisausrüstung waren die größten Bauchschmerzen kuriert. Die übrigen Punkte lassen sich in den nächsten Wochen Zeile für Zeile abhaken. Gut so, denn ich habe ja inzwischen anderenorts alle Hände voll zu tun. 200-g-Mini-Dinner-Portionen abfüllen und einfrieren. Zerbrechliche Dinge in der Wohnung bewegen. Im Bett oder auf der Couch hilflos zappelnden Marienkäfern beim Aufstehen helfen. Und vielleicht lese ich doch noch den einen oder anderen Ratgeber.