In drei Tagen ist der errechnete Geburtstermin und ich habe Angst, dass die Baldmutter bald explodiert — der Babybauch ist inzwischen so groß wie ein Medizinball.
Moment, darf man so etwas überhaupt sagen?
Aber sicher. Medizinbälle sind selten chauvinistisch veranlagt, haben keine abgefahrene Meinung zu Erziehungsstilen und können auch nichts für die amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Schwer wiegt aber auch, dass das Schwangersein viele Dinge, nicht nur Medizinbälle, in ein ganz neues Licht rückt, Aspekte umkehrt und emotionsgeladene Aussagen umkehrt. Bei meinen Experimenten, inwieweit die Interpretationen modifiziert wurden, führte ich zuerst Negativtests durch. Und, tatsächlich, mit diesen Kommentaren fiel ich in nur mühsam rehabilitierbare Ungnade:
»Kannst du dich mit weniger Schwung ins Bett legen? Die Latten knarzen schon.«
und
»Alles alle. Mehr habe ich nicht gekocht.«
Ganz klar, mit diesen Aussagen wählt man den Freitod, sie sind beziehungstechnische Selbstmorde, sollten bestenfalls noch nicht einmal gedacht werden.
Ich weitete den Test aus. Dabei stieß ich mit den folgenden Phrasen auf einen anderen, manchmal sogar positiven Effekt. Dies sind die, wie ich finde, fünf bemerkenswertesten:
»Mein Gott bist du dick.«
Aufs Adjektiv kommt’s an. »Fett« wäre das Fettnäpfchen, denn was den Schwangerschwerpunkt maßgeblich verrückt ist ganz und gar nicht (nur) Fett, sondern Haut und Knochen, Fruchtwasser und das ganze übrige Gewebe der Gebärmutter. Die Zurkenntnisnahme des Bauchs, unter Insidern auch »die Kugel«, zeugt von Respekt fürs neue Leben und Mitgefühl um all die Beschwerden, die das vergrößerte und verlagerte Gewicht mit sich bringen.
»Du siehst aus wie ein Azteken-Fruchtbarkeitsidol.«
Jeder Filmfan und Gamer kennt die handgeschnitzten runden Figuren, die die Indiana Jones dieser Welt in den Grabkammern ausgestorbener Urwaldstämme aufstöbern. Wilder Stämme, die das Schwanger- und Muttersein als höchstes Gut ansehen und die runden Models dieser Schnitzereien wie Göttinnen anbeten. So ist dieser Vergleich eine Variante der Wahrnehmung und des Respekts gegenüber des Schwangerseins mit Bonus: einem kreativen und historischen Aspekt. 100 Punkte.
»Du schnarchst wie ein schwangeres Sägewerk.«
Manchen Frauen ist es freilich peinlich, dass sie schnarchen. Denn was man da zu hören bekommt, klingt nicht immer wie ein Meerschweinchen, sondern auch mal wie Darth Vaders defektes Atemgerät. (Das würde ich natürlich niemals laut sagen.) Der Trick ist wieder das Adjektiv. Bei »schwanger« schwingt mit, dass das normale Schnarchen gar nicht so schlimm ist und in diesem Fall, stattdessen, ein Ausnahmezustand mit freudigem Hintergrund vorliegt.
»Du kannst ja für zwei essen.«
(Vorsicht: Wegen des Verzichts auf halbrohe und rohe Kost, wie Steaks und Sushi, können Nahrungsmittelthemen bei manchen Schwangeren Missmut hervorrufen.)
Würden Schwangere gerne. Denn ist das erste Trimester erst mal überstanden, schmecken die meisten Dinge wieder prima, manche sogar besser. Allerdings wird der Magen durch das Ungeborene derart weggedrängt, dass volle Portionen keinen Platz mehr darin finden. Für zwei zu essen ist also nicht nur anekdotischer Unsinn, sondern auch unrealistisch. Infolge werden etwaige Kommentare gemeinsam weggelacht, bevor sich die Schwangere gedankenlos aus der Keksdose bedient.
»Ich trage das lieber für Dich.«
Der Mann von heute trifft aufgrund kultureller und gesellschaftspolitischer Aspekte gefährliche Entscheidungen zwischen absichtlicher Galanterie und versehentlichem Chauvinismus. Aufgrund der biologisch angeborenen Muskelmasse bieten sich Männer zwar zum Tragen von Dingen an. Es besteht aber stets ein Restrisiko, dass man der Frau Autonomität abspricht, oder, noch schlimmer, durch eine ungeschickte Formulierung eine Unfähigkeit zum Tragen ausspricht. Im Schwangerstatus ist das Thema ungebundener, oberflächlicher, einfacher zu bedienen, und Frauen lassen sich gerne helfen.
Das Gleiche gilt übrigens für »Möchten Sie sich vielleicht hinsetzen.«
Auch eine Schwangere im neunten Monat daheim? Dann am besten gleich mal diese und neue Phrasen ausprobieren und in den Kommentaren über die Erfahrungen berichten.
Haftungsausschluss: Bekommt der eine oder andere Schwangerenpartner wegen einem dieser Sprüche Schwierigkeiten, hat es diesen Blogeintrag nie gegeben.