Wieso bekomme ich eigentlich keinen Vaterpass? (»Papapass« klingt auch gut.) Darin könnte man, wie beim Mutterpass, gesundheitliche Meilensteine der Vaterschaft festhalten. Natürlich nicht für umsonst. Wer seinen Vaterpass fleißig pflegt, erhält wahlweise eine Hebamme oder einen Kitaplatz. Aber erst für’s nächste Kind.
Was kommt in den Vaterpass? Solange das Kind seine Füße unter den Tisch des Hausherren stellt, werden z. B. per Bluttest Prolaktin‑, Cholesterin‑, Adrenalin- und Alkoholwerte aufgezeichnet. Nur so können später Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Festgehalten werden auch Ultraschalluntersuchen (der Prostata natürlich), Bauchumfang, Rückenschäden, Knieabnutzung, graue Haare und die finanzielle Sorgenfalte, die seit der Kindsentscheidung Monat für Monat, Millimeter für Millimeter, von den Augenbrauen zum Haaransatz wandert. Diesen aber nie erreicht, weil der ja ebenfalls weiterwandert.Im mittleren Bereich des Passes findet man die bekannten Normkurven für den fatalen Wachstumsverlauf (des Bauchs). Besonderes Feature: die auffaltbare Mitte. Die lässt sich an die Wand halten, damit man jedes Jahr per Filzstift die Körpergröße einzeichnet, die man alters- und kindherumtragebedingt schrumpft.
Da Männer aufgrund ihrer zähen Natur weniger Arztbesuche benötigen als Frauen, würden auf den übrigen Seiten des Passes gesellschaftliche Ereignisse und persönliche Erlebnisse, Ziele und das Erreichen dieser dokumentiert. Warum nicht so: Der Papapass als eine Art Abzeichen- und Urkundensammlung. Wer sammelt nicht gerne Trophys?
Hier meine bisherigen paparelevanten Errungenschaften:
Kreißsaalgeprüft 🏅
Länger als fünf Stunden im Kreißsaal verbracht, ohne aufs Klo zu gehen.
Wickeltischheizstrahlerinstallateur 🏅
Das Ding saß den ganzen Herbst, Winter und Frühling bombenfest und hielt den ersten feinmotorischen Sich-an-der-Schnur-hochzieh-Aktivitäten des Nachwuchses stand. Nicht schlecht dafür, dass ich keinen diamantbesetzten Fliesenbohrer hatte. Inzwischen ist Sommer und die Vierfachdübelkonstruktion hält ein Regal für zwischen Frisch-gewaschen- und Noch-nicht-dreckig-genug-Kleidungsstücke. Die sind auch mindestens so schwer wie der Heizstrahler. (Da hatten wir uns übrigens für ein langweiliges Mittelklassemodell (Link zum Heizstrahler) entschieden. Ist absolut ausreichend, und wird mit vier(!) Schrauben verdübelt, damit hätte ich ein TÜV-Siegel bekommen.)
Engelsgeduld Level I 🥇, II 🥈 und III 🥉
Insbesondere beim Zubettbringen, was durch die Mamafixierung ein bis zwei lautstarke Stunden kostet. Fünfundvierzig Jahre bin ich ohne Ohropax ausgekommen. Ich habe selbst Über-mir-Nachbarn überlebt, deren Sex an Lautstärke und Kuriosität nicht zu überbieten war: Stellen Sie sich zwei alte Dampflokomotiven vor, die ein drei Stunden langes Hexenritual durchführen. Zwischen 1 und 4 Uhr nachts. Und dann nochmal zwischen 6 und 9. Das ganze Treppenhaus roch wie eine Opiumhölle aus den 30er-Jahren, und dabei wohnte ich nicht in Kreuzberg. — Nein, für Ohropax, das für das Geduldsabzeichen einzige erlaubte Dopingmittel, brauchte es schon etwas Besonderes: einen Sohn.
Zyklopenschlaf 🏅
Das ist die Fertigkeit, dem eigenen Körper vorzugaukeln, man würde schlafen. In Wahrheit bleibt ein Auge wach und man kann beim leisesten Geräusch aus dem Kinderzimmer aufspringen, um eine anstehende Schreitirade zu verhindern. Das ist, wenn das Kind sich »verlegt hat«, quer liegt oder sich selbst zwischen den Gittern erwürgt, und man den Missstand schnell fixt, bevor es ihn selber erkennt und anfängt zu brüllen. Problem: Der Wirkungsgrad des Zyklopenschlafs liegt anteilsmäßig bei 50% (15%, wenn das Kind krank ist) — der elterntypische Schlafmangel.
Aufhörer 🚭
Mit dem Rauchen aufgehört, um ein gutes Vorbild zu sein und 1,5 Jahre länger zu leben, um dem erwachsenen Nachwuchs später mehr Geld pumpen zu können.
Kotztoleranz ☣
Über die Jahre erhielt ich mir stets meinen gesunden Ekel vor Fäkalien, Auswürfen, Körperwachsen, Popeln, Eitern und anderen Flüssigkeiten, die meine Mitmenschen bewusst und unbewusst verbreiten. Bürgersteigkotze vor Bier- und Weinlokalen verursachte einen vitalen Würgereiz, und der Pennerkacke unter der S‑Bahn-Brücke ging ich weiträumig aus dem Weg. Der Gedanke, die nächsten zehn Jahre Babywindeln und ‑inhalt ausgesetzt zu sein, rüttelte, ehrlich gesagt, stark am Kinderwunsch. Aber siehe da, die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wurde. Kinderkacke stinkt bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet. Vielleicht aber auch nur die vom eigenen Kind? Und wenn der Kleine versehentlich eine Mischung aus Muttermilch und Pastinakenbrei über das halbe Wohnzimmer und alle Anwesenden verteilt, ist gar keine Zeit, hysterisch zu werden. Energie- und nervenschonender: Mit der Schulter zucken, und ein paar Kleenex und Feuchttücher holen. Früher hätte ich ein mit Babykotze vollgesogenes Spucktuch sofort verbrannt, heute wische ich mir nach getaner Arbeit damit die Stirn ab.
Mit sechs Abzeichen ist mein Papapass freilich noch lange nicht voll. Und mir schwant, dass da noch einige Prüfungen auf mich zukommen. Ich bin neugierig – was habt Ihr mittlerweile für Elterntrophäen gesammelt?
Euer 8BitPapa
P. S. Die Kitaplatz-Anspielung in der Einleitung ist dieser Tage leider berechtigt und akut. Hier geht’s weiter zur nächsten Gretchenfrage mit Tipps zur Auflösung und Antwort: Habt Ihr schon einen Kitaplatz?