»Ja, das ist wahrscheinlich bösartig. Da kann ich Ihnen nichts Angenehmeres sagen, nützt Ihnen ja nichts, wenn ich hier etwas beschönige. Das müssen wir uns sofort genauer ansehen. CT, und auch gleich ein MRT. Nehmen Sie Ihre Frau mit, auch wenn sie im 9. Monat ist, das ist besser für Sie beide. Sie sind nicht verheiratet? Dann heiraten Sie. So bald wie möglich.«
— 🕹 —
Flashback Juli 2017 — ohne Satire
Was ist denn das da links am Hals? Seit wann hast du das?«
»Weiß nicht genau, eine Woche? Sieht man eigentlich nur, wenn ich den Kopf so etwas nach rechts drehe. Ist aber harmlos. Google mal ›Knubbel unter der Haut‹.«
»Hmm hm, ›Lipom‹. Sozusagen eine Ansammlung von verhärtetem Fett. ›Gutartig‹. Ach Gott sei Dank. Hmmm ›Stoffwechselstörung‹, hmm hm hmm, ›soll sich anfühlen wie eine Kaffeebohne‹.«
»Ja, das macht Sinn, genau so groß, und ich kann es mit den Fingern hin- und herbewegen.«
»Und wenn es doch etwas Ernsteres ist?«
»Was denn? Und an der Stelle? Occam’s Razor! Sieh dir mal die Lipom-Bilder an, das sieht alles genauso aus. Auch am Hals. Aber du hast recht, lass mich mal die nächste Zeit genauer auf meine Ernährung gucken. Nicht, dass das wirklich ein Hinweis auf eine Diabetes ist.«
»Hoffentlich nicht.«
— 🕹 —
»Warte, dreh dich mal um. Hier am Schulterblatt ist ein neuer. Mach mal einen Buckel. Fuck, der ist ganz schön groß.«
»Mit dem am Brustbein und in der Achsel ist das jetzt schon der vierte. Ich habe nachgesehen, das gibt es tatsächlich, dass die gehäuft auftreten. Aber so schnell?«
»Warst du beim Hautarzt?«
»Meinen alten gibt’s nicht mehr, hat zugemacht. Ich habe aber einen neuen gefunden, gar nicht weit von hier. Der Termin ist schon in einem Monat, am 1. August.«
»Das ist genau vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Oh Gott, ich hatte gerade eine schreckliche Vision. Was, wenn du dann ins Krankenhaus musst und nicht bei der Geburt dabei sein kannst?«
»Dann ist das so. Können wir nicht ändern. Hauptsache, ich bin das wieder los. Um Himmels Willen, wenn es so weitergeht, sehe ich bald aus wie der Elefantenmensch. Ich will nicht, dass mein Sohn mich so sieht.«
»Vielleicht sind’s gar keine Lipome? Sondern etwas Harmloseres?«
»Vielleicht.«
— 🕹 —
»Bitte hör‹ auf zu weinen.«
»…«
»Bitte. Wenn du so weinst. Dann fühlt sich das so an, als hättest du mich schon aufgegeben. Als wäre ich morgen tot.«
— 🕹 —
»Vielleicht wird das bald besser mit meinen Metastasen. Es gibt doch eine Chance.«
»Die Wahrscheinlichkeiten bei Stadium IV… Ich traue mich gar nicht mehr, das zu googeln.«
»Ich auch nicht. Ich will das nicht glauben!«
»Totaler Google-Stop! Auf keinen Fall die Jahre oder sogar Monate herunterzählen. Keine übrige Lebenserwartung recherchieren.«
»Du hast recht. Verdammt, ich bin doch erst 44, wir gehen einfach vom besten Fall aus. Dass alles gut wird. Das müssen wir so machen! Sonst machen wir uns verrückt!«
»Ja. Einverstanden.«
Ich wünsche mir nichts mehr, als am Leben zu sein, wenn mein Sohn geboren wird und während er heranwächst. Zu erleben, wie er lernt zu gehen und zu sprechen.
— 🕹 —
Irgendwann in der Zukunft?
»Papa, was is ein ›malinges Mälom‹?«
»Das heißt, dass ich krank bin. Das erkläre ich dir später.
Hier, schmier‹ dich ein, wenn du rausgehst. Nicht den Nacken und die Ohrläppchen vergessen.«
— 🕹 —
Fortsetzung folgt.
Update 2020: Die Fortsetzung.